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Förderpreis Martina Baldinger
Laudatio Katja Herlach


Das Rückgrat der künstlerischen Praxis von Martina Baldinger ist die Zeichnung. Sie taucht in ihren Werken,
die sie seit 2012 regelmässig in Ausstellungen präsentiert, in diversen Zuständen auf – vom Gekritzel im
Duktus einer Telefonzeichnung über tagebuchartige, oft mit schriftlichen Notizen verbundene Notate bis hin
zu sorgfältig ausgearbeiteten Blättern – und ist in unterschiedlichen Inszenierungen anzutreffen: gerahmt
oder zum Berühren ausgelegt, allein oder in Kombination mit anderen Materialien zu Assemblagen und
Rauminstallationen gefügt, physisch präsent oder medial übersetzt, in statischer Form oder als Animation.
Trotz dieser Vielfalt sind die einzelnen Zeichnungen immer als Teile eines gewachsenen Kosmos von
zusammenhängenden, aber nicht linear lesbaren Erzähl- und Beobachtungsfragmenten erfahrbar.
Martina Baldingers Interesse für die unterschiedlichen Möglichkeiten, wie Zeichnung vermittelt werden kann,
führt auch zur Frage, was Zeichnungen vermitteln. An diesem Punkt verbinden sich in ihrem Schaffen Inhalt
und theoretische Reflexion. Im Kern nutzt die Künstlerin die Zeichnung als Instrument der kritischen
Selbstuntersuchung, der Befragung ihres alltäglichen Lebensumfelds sowie der Analyse von
gesellschaftlichen Realitäten und Prozessen, durchaus aber auch als aktivistisch aufgefasstes
Kommunikationsmedium. Zentrale Themen sind etwa die (prekären) Produktionsbedingungen von Kunst,
Vor- und Nachteile von Selbstorganisation, Funktionsweisen von Beziehungsgeflechten oder aber die
Gratwanderung zwischen feministischer Selfcare und neoliberaler Selbstoptimierung.
Obwohl Martina Baldinger in jüngerer Zeit ihre künstlerische Arbeit stärker von verwandten
Betätigungsfeldern trennt, bleiben die Grenzen zu Vermittlung und aktivistischer Kulturarbeit fliessend und
das Interesse an partizipativen Prozessen und an der Arbeit im Kollektiv intakt. Welche neuen Formen
künstlerischer oder kulturpolitischer Zusammenarbeit an die Stelle abgeschlossener Engagements treten
könnten, beschäftigt sie aktuell.


Prägend für den Werdegang der 1984 in Olten geborenen und mit der Stadt eng verbundenen Künstlerin,
die nach wie vor mehrheitlich in der Dreitannenstadt lebt, waren neben ihrer Ausbildung, die sie 2014 mit
einem Master in Fine Arts an der der Zürcher Hochschule der Künste abgeschlossen hat, der Auszeichnung
mit dem Förderpreis Bildende Kunst des Kantons Solothurn 2016 und Atelieraufenthalten in Sierre 2019 und
Buenos Aires 2020, vor allem auch künstlerische Kollaborationen und kulturpolitische Engagements. Als
Beispiele seien hier die Oltner Künstler*innengruppe «It sounds linke Rita» (2007–2013), die Kollaboration
mit Alessia Conidi und Angela Wittwer für eine künstlerische Recherche zur Sexarbeit in Zürich oder die Co-
Kuration des alternativen Zürcher Ausstellungsraums «Les Complices*» (2015–2017) ebenso erwähnt wie
die Tätigkeit im Oltner Begegnungszentrum «Cultibo» (2017–2019) oder die Beteiligung in der als Reaktion
auf die städtische Finanzkrise in Olten 2013 gegründeten Gruppierung «Wie wir leben wollen».
Mit der Verleihung des Förderpreises würdigt und unterstützt die Stadt Olten die Konsequenz, mit der
Martina Baldinger ihre künstlerische Praxis vorantreibt, sowie ihre Auseinandersetzung mit unterschiedlichen
Formen künstlerischer Produktion.